Befrage Deinen Atem

von Gabriele Erb, geb. 1946, verheiratet, lebt als Diplom-Psychologin, Atempädagogin,
FachĂĽbersetzerin und Fachjournalistin in MĂĽnchen.
Erstveröffentlichung: Psychologie Heute, November 1998

Die meisten Menschen atmen falsch. Zu flach und zu hastig holen sie Luft und stoĂźen sie wieder aus. Die Atmung erfĂĽllt dann nicht ihre Aufgabe: Statt Lungen und Blutkreislauf mit Sauerstoff zu versorgen, wird nur verbrauchte Luft in den Atemwegen hin und hergeschoben. Das hat  Folgen fĂĽr das körperliche und psychische Wohlbefinden.

Nehmen Sie sich einige Minuten Zeit fĂĽr folgende Fragen:

 Atmen Sie ĂĽberwiegend in die Brust?

 ErmĂĽden Sie schnell oder wachen Sie morgens mĂĽde auf?

 Haben Sie oft das GefĂĽhl, nicht richtig Luft zu bekommen oder auĂźer Atem zu sein?

 Seufzen Sie viel?

 Atmen Sie in Ruhe öfter als fĂĽnfzehnmal pro Minute?

Wenn Sie nur eine der Fragen mit Ja  beantwortet haben, dann können AtemĂĽbungen Ihnen helfen, sich besser zu fĂĽhlen. Dass jeder Mensch automatisch richtig atmet, ist nämlich eine ebenso verbreitete wie falsche Ansicht.

Tatsächlich atmen die meisten von uns zu flach und zu hastig, schieben also lediglich verbrauchte Luft in ihren Atemwegen hin und her. Lungen und Blutkreiskauf werden infolgedessen ungenĂĽgend mit Sauerstoff versorgt und Gewebe und Organe schlecht durchblutet, was wiederum Zellstoffwechsel und Immunabwehr beeinträchtigt. Es kommt zu einer Art Selbstvergiftung: Wir werden anfällig fĂĽr Krankheiten und regenerieren uns nur langsam. Zudem beeinflusst der Sauerstoffmangel Stimmung und Denkfähigkeit negativ.

Das Wissen um die Wirkung des Atems ist alt. Östliche Disziplinen im Orient und in Asien kennen Atemübungen seit circa 4000 Jahren (bereits ägyptische Grabinschriften verweisen auf die „Heilkunst mit dem Atem“, die derjenigen mit „dem Messer“ oder mit „Pflanzensaft“ überlegen sei). Sie gelten dort nicht nur als „Königsweg“ zur Heilung, sondern auch als „Tor zur Innenwelt“, als Weg tiefer Selbsterfahrung. Wohl nicht zufällig entdeckte der Westen dieses Wissen erneut zu Beginn dieses Jahrhunderts, in einer Zeit des Aufbruchs in Wissenschaft und Kunst.

Während die Malerei abstrakt, die Musik ebenso wie die Literatur expressiv wurde, die Physik die Relativitätstheorie entdeckte und die Medizin die Psychoanalyse, entstand die Atemlehre aus einem Diskurs verschiedener Körper- und Bewusstseinsdisziplinen (Gymnastik, Ausdruck, Tanz) einerseits und künstlerischer, tiefenpsychologischer und medizinischer Geister andererseits. Die von Stimmproblemen geplagten Sängerinnen Klara Schlaffhorst und Hedwig Andersen entwickelten 1928 ihren atempädagogischen Ansatz, arbeiteten damit erfolgreich und beeinflussten Frauen wie Luzy Heyer-Grote, Marianne Fuchs (Funktionelle Entspannung) und Elsa Gindler.
Letztere hatte sich selbst von einer als unheilbar geltenden Krankheit geheilt und aus dieser Erfahrung eine Methode entwickelt, deren moderne Fassung wir heute als „Sensory Awareness“ kennen.

Die psychologische Seite der „Welt des Atems“ war bereits von C.G. Jung betont worden, dessen Schüler, der Psychiater Gustav Heyer, in regem Austausch mit Cornelius Veening stand, einem der Pioniere der Atemlehre. Veening war Sänger und entwickelte seine Atem- und Stimmarbeit vor dem Hintergrund seiner Erfahrungen in einer Jungianischen Analyse. Damit betrat er einen Weg, für den es in dieser Zeit keinerlei Vorbild gab.

Zu seinen SchĂĽlerinnen gehörten Ilse Middendorf, die dem „Erfahrbaren Atem“ und der Vokalraumarbeit zu allgemeiner Bekanntheit verhalf, sowie Herta Grun und Irmela Halstenbach. Herta Richter, BegrĂĽnderin der Ausbildungsstätte „Atemhaus MĂĽnchen“, lernte sowohl von Veening wie von Ilse Middendorf und arbeitete viele Jahre mit einem weiteren Pionier der Atemheilkunst zusammen (so der Titel seines Standardwerks), nämlich dem als „Atem-Schmitt“ bekannten MĂĽnchner Arzt Ludwig Schmitt.  Zwischen den 30er und 60er Jahren wandte dieser bereits in seiner MĂĽnchner Klinik fĂĽr biologische Heilweisen mit  grossem Erfolg die Atemmassage an. Die hier beschriebene Form der Atemarbeit leitet sich aus dieser Tradition ab.

Die Atemlehre legt grossen Wert auf das „Erfahren“ und „Durchleben“ leib-seelisch-geistiger Prozesse. Dies kann nicht genug betont werden und ist einer der Gründe für die Schwierigkeit, diese Methode rein theoretisch darzustellen. Gemäß Leonardo da Vincis Satz „Eine Erkenntnis, die nicht durch unsere Sinne gegangen ist, kann keine andere Wirkung erzeugen als eine schädliche“ geht die Atemlehre nicht primär davon aus, dass Wissen durch rein rationales Erfassen von Inhalten entsteht. Sie ist sogar im Gegenteil der Meinung, dass intellektuelles Verstehenwollen ein wirkliches Erfahren über den Atem verhindert.

Wir atmen, wie wir leben

Anders als bei bestimmten „Atemtechniken“ wie Rebirthing und dergleichen geht es hier nicht um die Manipulation des Atems, sondern darum, ihn wahrzunehmen, ihm nachzuspüren, was nur möglich ist, wenn man still und achtsam wird. Den eigenen Atem wach zu begleiten, sich seiner rhythmischen Bewegung zu überlassen, sich darin zu sammeln, ohne sie willentlich zu kontrollieren oder zu „machen“, ist schwierig. Kein Atemzug ist wie der andere, jeder Moment ist neu, was den Übenden mit der Zeit eine Art Anfängergeist entfalten lässt. Alles, was sich im Menschen abspielt, sei es gedanklich oder emotional, unbewusst oder bewusst, ja seine ganze Biografie bildet sich präzise in seinem Atem ab. Versuche, diverse Atemmuster in Kategorien einzuordnen oder gar zu meinen, es gäbe das „richtige“ Atmen, greifen nicht. Jeder Atem ist so einzigartig wie ein Fingerabdruck. Ihn zu lesen, mit ihm mitzuschwingen braucht Zeit, Schulung und einen meditativen, ganzheitlichen Zugang.

Kein Wunder, wenn sich die Atemarbeit weder als reine Körper- noch als reine Psychotherapie bezeichnen lässt und viele in ihr aufgrund ihres ganzheitlichen Zugangs einen eigenständigen dritten Weg sehen. Dies, obwohl ihre Methoden seit den 70er Jahren in vielen humanistischen Therapien verwendet werden, wenn auch mehr in Form von Techniken.

Ă„hnlich wie die Humanistische Psychologie geht die Atemlehre von einem salutogenetischen Prinzip aus, nimmt also an, dass dem Menschen wie allem, was zur Natur gehört, eine Selbstheilungstendenz innewohnt. Diese sucht sie zu aktivieren. Ergänzt wird dieses  zugrunde liegende Menschenbild durch einige Aspekte der Jungianischen Psychologie wie das Unbewusste, das Selbst, den Schatten, das Ich, die Persona sowie durch das Konzept des Leibes als „beseelt“ und sich seiner selbst bewusst. Ziel der Arbeit ist der „eutonische Mensch“, der sich seelisch-geistig-körperlich in einem idealen Spannungszustand befindet.

Bei der Einzelarbeit ist das Vorgehen variabel. Meist liegt der Klient bekleidet auf einer Liege und wird aufgefordert, sich wach und bewusst seinem Atem zuzuwenden. Die Hände des Atemlehrers nehmen über den Leib Kontakt mit dem Atem des Liegenden auf, lassen sich in einem wortlosen Dialog auf dessen Selbstbewegung ein. In der Begegnung mit dem Atem in seinem Rhythmus, seiner Freiheit oder Behinderung, seinem „Gemacht“- oder „Zugelassensein“, eröffnet sich die Chance eines Zugangs zur unmittelbaren “Biografie“ des Menschen. Die Hände fragen an, unterstützen, zeigen Möglichkeiten auf, bieten Widerstand oder lösen. Dies geschieht nicht mit technischen oder mechanischen Mitteln, sondern durch sensible, bewusste Hinwendung, in einer achtsamen, meditativen Haltung, möglichst unbelastet von Erwartungen und Annahmen. Insbesondere aus theorieüberfrachteten Psychotherapien kommende Klienten, die das dort mitunter noch immer übliche Etikettieren als traumatisierend erlebt haben, vor allem, wenn sie bereits als Kinder in ähnlicher Weise übergangen worden waren, sind häufig tief berührt von dieser Art des genauen Wahrgenommen-, des „Erkanntwerdens“.

Auch wenn in der Atemarbeit die Mobilisierung des Unbewussten und Konflikthaften nicht im Vordergrund steht, lässt die Lösung muskulärer, die vollendete Atembewegung behindernder Verspannungen mitunter unterdrückte Gefühle ins Bewusstsein treten (so werden etwa Bauchmuskeln angespannt und die Bewegungen des Zwerchfells eingefroren, um unerwünschte Gefühle „wegzudrücken“). Dies ist unter anderem der Grund, weshalb die Atemlehre zu den sogenannten aufdeckenden Verfahren gehört. Auftauchende Inhalte werden wie alles in der Behandlung, am Ende jeder Sitzung besprochen. Sich ihnen atmend zuzuwenden – anstatt sie wie gewohnt zu verdrängen – kommt in manchen Fällen einer Revolution gleich. Hier wird die Erfahrung möglich, dass sich die Gefühle allein durch die Bereitschaft wandeln, sie anzunehmen und durch sie hindurchzugehen. Auch wird empfohlen, die ins Bewusstsein tretenden Inhalte auszudrücken, sei es in Poesie, in Malerei, Tanz und dergleichen. Tauchen schwerwiegende seelische Konflikte auf, sollte die Atemarbeit mit einer Psychotherapie kombiniert werden.

Die Atemmassage unterscheidet sich von der klassischen Massage durch ihre Orientierung am Atemrhythmus, dessen freies Fliessen gefördert werden soll. Dazu werden die Muskeln gedehnt, geknetet und gelockert. Durchblutungsfördernde Streichungen, Friktionen, Knetungen und Atemreizgriffe zielen auf die Lösung verspannten und verhärteten Gewebes ab, um ein elastisches Durchschwingen des Zwerchfells zu ermöglichen. Körperbereiche, die durch Haltungsprobleme, organische und/oder seelische Störungen wenig beatmet werden, können so wieder zugänglich werden. Die Massage wirkt regulierend auf das Vegetativum, die Psyche und das hormonelle System, regt den Stoffwechsel an und vertieft die Atmung. Das befreite Zwerchfell lässt nicht nur den Atem, sondern auch die Gefühle freier fliessen, chronische Verspannungen weichen. Klienten werden meist offener, spontaner, sind im Alltag weniger „festgefahren“, oft auch unbequemer. Wer sich, wie heute viele Menschen, in seinem Körper unwohl fühlt, erfährt hier die Chance zur körperlichen Neuorganisation.

Wie sinnvoll die Kombination von Atemmassage und Psychotherapie sein kann, betonte bereits 1931 der Arzt, Masseur, Psychoanalytiker und Schriftsteller Georg Groddeck, als er meinte „ohne tiefe Atem – und Gewebearbeit keine Lösung von seelischen Konflikten“. Noch vor Wilhelm Reich hatte er erkannt, dass psychische Verdrängung ohne Körperabwehrmechanismen wie Atemreduktion, chronisches Festhalten oder Gegenmobilisierung nicht funktioniert, weshalb er seine Patienten während der Atemmassage zugleich analysierte und sie ermunterte, auf alle auftauchende Impulse zu achten und sie zu benennen.

Bei der stark strukturierten, ĂĽbungszentrierten Gruppenarbeit werden Atem- und StimmĂĽbungen in den sogenannten „Vier WĂĽrden“ des Menschen angeboten, mit dem Ziel einer Schulung der Wahrnehmungs- und Empfindungsfähigkeit und einer verbesserten Körperorientierung. Im Liegen geht es um die differenzierte Erfahrung vom Atemgeschehen im passiven, zulassenden Kontakt des Körpers mit dem Boden, um das Vertrauen und das „Sich-getragen-FĂĽhlen“. Im Sitzen, einer Position, die zwischen dem kompletten Loslassen des Liegens und dem handlungszentrierten Stehen angesiedelt ist und das in dieser Form (auf dem Hocker ohne RĂĽckenlehne) vielen Menschen zu Beginn wegen Haltungsproblemen schwerfällt, geht es um das bewusste Aufgerichtetsein. Mit fortschreitender Ăśbung werden Halt, Struktur und Ordnung im Innern, nämlich im Atem gefunden, Ăśbungen im Stehen, wobei es nach Ansicht Heinrich Jacobys darum geht, einen erlebbaren an Stelle eines nur gewussten Standortes einzunehmen, ergänzen solche in der Bewegung. Hier ist nicht die äussere, sondern stets die von innen, also vom Atem her gefĂĽhrte Bewegung gemeint. Das eigene, innere Erleben steht bei der Gruppenarbeit im Vordergrund, auch bei PartnerĂĽbungen oder in der gemeinsamen Stimmarbeit. Dabei auftauchende GefĂĽhle oder Empfindungen werden am Ende in der Gruppe ausgetauscht.  Weil viele Menschen lebenslang angespannt sind, ohne es  zu merken fĂĽhlen sie sich nach einer Atemsitzung, -massage oder –übung in ihrem Körper wohler. Mitunter entsteht sogar das GefĂĽhl, mit dem ganzen Körper zu atmen. Die zentrale Erfahrung “ich weiĂź, wie ich mir selbst helfen kann“, ist hier fĂĽr den, der nie gelernt hat, sich auf die eigenen Kräfte zu besinnen, manchmal der erste Schritt zur Autonomie.

Verantwortung für die eigene Gesundheit entsteht aus dem gewachsenen Zutrauen und dem Wohlgefühl, die sich bei kontinuierlicher Atemarbeit einstellen. In einer Zeit, in der chronische Alterserkrankungen durch den Anstieg der Lebenserwartung massiv zunehmen, gewinnt die prophylaktische Mobilisierung der eigenen Ressourcen, für die es nie zu früh und nie zu spät ist, grosse Bedeutung.

Auch wenn sich die Arbeitsweise der Atemlehre nicht an den Beschwerden der Menschen orientiert, und vielleicht gerade weil es sich bei ihr nicht um Krankheit und Heilung, sondern um das Erlernen eines Weges der Selbsterfahrung handelt, befindet sich unter ihren Klienten ein hoher Anteil an Menschen mit körperlichen und/oder seelischen Symptomen. In einer Untersuchung wies Michael Büscher nach, dass 81,6 Prozent der Klientel einer atemtherapeutischen Praxis dies aufgrund von akuten, schwerwiegenden Erkrankungen aufgesucht hatten. Körperliche Symptome waren Atembeschwerden und Verspannungen, seelisch zeigten sie sich als Depressionen, Befindlichkeitsstörungen, Ängste und Selbstwertprobleme. Von den insgesamt 125 zum Verlauf ihrer Therapie befragten Klienten gaben 85,6 Prozent an, sich in ihrem Körper mit Hilfe der Atemarbeit besser wahrzunehmen. 62,4 Prozent beschreiben eine deutlich bessere seelische Befindlichkeit, und 8 Prozent gaben an, besser als zuvor mit ihren Symptomen leben zu können. Nur 3,2 Prozent fühlten sich unverändert und 2,4 Prozent eher schlechter als zuvor.

Erfolge werden in der Praxis der Atemlehre gerade auch bei Menschen mit psychosomatischen Beschwerden beobachtet. Ihre symbolhaft auf die Körperebene verlagerte Konfliktverarbeitung prädestiniert sie geradezu für den ganzheitlichen Zugang des Atems und
seine ordnende, regulative Kraft. Das wiederholte Erleben, durch eigene MaĂźnahmen seine Befindlichkeit positiv beeinflussen zu können, wirkt hier oft ungemein ichstärkend. FĂĽr Intellektuelle, die von ihrem Körper abgetrennt sind, bietet Atemarbeit die Möglichkeit, sich die im Verhältnis zur mentalen  Erlebnisfähigkeit so viel langsamere, tiefere und nuanciertere Welt der Sinneserfahrung und des „Lernens von innen“ wieder zugänglich zu machen. NatĂĽrliche, fĂĽr Krisen anfällige Lebensprozesse (Pubertät, Schwangerschaft, Klimakterium) lassen sich ebenfalls in einem tieferen Anschluss an sich selbst bewältigen, wenn der Atem dazu „befragt“ und seine Ressourcen genutzt werden.

Dies jedoch nur insoweit, als die „Kraft“ (im Sinne von Toleranz für positive Gefühle) zugelassen wird. Nach dem Motto „nichts ist schwerer zu ertragen als eine Reihe von guten Tagen“ (Goethe) gibt es „eine Neigung des Menschen, seine Sensoren für positive Gefühle auf einen gewissen Punkt einzustellen und sich selbst herunterzuziehen, sobald dieser Punkt überschritten wird. Er bricht einen Streit vom Zaun oder überfrisst sich, damit er sich nur ja nicht wohlfühlt“, schreiben die Körpertherapeuten Gay und Kathlin Hendrick.

Der Atem: „Brücke zwischen Körper und Geist“

Unter den ansonsten willentlich kaum beeinflussbaren Körpervorgängen nimmt die Atmung eine Sonderstellung ein. Einerseits läuft sie unbewusst und automatisch ab, andererseits ist sie bewusst steuerbar, weshalb sie auch als „Brücke zwischen Körper und Geist“ gilt. Wir atmen nicht allein mit der Lunge, sondern auch mit Mund, Nase, Kehlkopf, Rachen, Brust- und Bauchmuskeln und dem Zwerchfell. Zusammen mit dem sie steuernden Nervensystem, dem Blutkreislauf, dem Herzen und den Blutgefässen versorgt die Atmung den Körper bis in die letzte Zelle mit Sauerstoff und entfernt das mit der Verbrennung entstandene Kohlendioxyd. Wichtigster Atemmuskel ist das Zwerchfell, das den Herz- und Lungenraum vom Bauchraum trennt. Es zieht sich rhythmisch und im Wechselspiel mit den Bauchmuskeln zusammen und erzeugt so ein Vakuum, in das die Lunge sich ausdehnen kann. Das Einatmen erfolgt als Reflex, da der im Brustkorb entstandene Unterdruck frische Luft in die Lunge zieht. Unter Stress verkrampfen sich Zwerchfell und Bauchmuskulatur, was den Lungenraum verkürzt. An einer natürlichen Vollatmung hingegen sind Brust- und Bauchmuskeln beteiligt, und die Ausdehnung der Bauchhöhle ist auch in den Lenden, Flanken und am unteren Rücken zu spüren.

Im Ruhezustand atmen wir 13 bis 15 Mal pro Minute, wobei wir mit jedem Atemzug etwa 500 ml Luft aufnehmen. 90 Prozent des im Stoffwechsel vorhandenen Sauerstoffs liefert die Atmung, nur 10 Prozent die Nahrung. Bei der Regulierung des Säure-Basen-Haushalts ist das Atemsystem neben den Nieren von zentraler Bedeutung: Beim befreiten Durchströmen des Atems sollen 70 Prozent aller Toxine aus dem Körper ausgeschieden werden, was andere Entgiftungsorgane wie Haut, Harnwege und Dickdarm merklich entlastet.

Literatur:

BĂĽscher, Michael: Beschreibung des atemtherapeutischen Prozesses anhand der Auswertung  
von Therapieverläufen. Eine qualitative Studie. Diplomarbeit, TU Berlin 1993

Dietrich, Stefan: Atemrhythmus und Psychotherapie. Ein Beitrag zur Geschichte der
Psychosomatik und ihrer Therapien. Dissertation. Universität Bonn 1995

Groddeck, Georg: Krankheit als Symbol. Frankfurt 1983

Hendrick, Gay; Kathleen Hendrick: Die neuen Körpertherapien. München 1994

Jakoby, Heinrich: Jenseits von Begabt und Unbegabt. Hamburg 1983

Middendorf, Ilse: Der Erfahrbare Atem in seiner Substanz. Paderborn 1998.

 

 

 

 

 

 
 

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