Gefährliche Düfte

von Helga Segatz

Foto: Henner Weinschenk, München

Gerade Weihnachten ist eine Zeit voller Düfte. Bratapfel, Zimt, Vanille – die Düfte der Weichnachtszeit liegen überall in der Luft. Manche Wohlgerüche aber, die es daheim kuschelig und gemütlich machen (wie z.B. Duftkerzen, Raumdüfte, Aromalämpchen und Teelichter mit aromatischen Düften) lösen bei immer mehr Menschen Symptome wie Schwindel, Benommenheit, tränende Augen bis hin zu heftigen Migräneanfällen mit Übelkeit und Erbrechen aus. Es ist also Vorsicht geboten bei synthetischen hergestellten Duftstoffen, Räucherstäbchen und ätherischen Ölen.

 

Schon vor einigen Jahren hat Stiftung Warentest in einer vom Allergie- und Asthmabund aufgegebenen Untersuchung festgestellt, dass etliche Duftstoffe starke Allergene enthalten bzw. sogar bis zu 90% aus Allergieauslösenden Stoffen bestehen, die zu Kontaktallergien führen können. Fängt die Haut bei Kontakt mit Duftölen an zu jucken oder bilden sich gar Ausschläge oder Ekzeme kann dies Hinweis auf ein Kontaktekzem sein. Dabei können schon geringe Duftmengen zu Kopfschmerzen, Übelkeit und tränenden Augen führen. Eine Kontaktallergie bleibt lebenslänglich. Wer Raumdüfte benutzt reichert die Atemluft mit Chemikalien an deren Richtwerte schnell überschritten werden können. Duftöle sind dabei aggressiver als Duftkerzen. Da hilft nur eines: Verzicht oder Dauerbelüftung.
Die Wahrnehmung von Düfte ist von der Natur als Hilfe eingerichtet: Wird ein Duft als unangenehm empfunden, nehmen wir oft, ohne dass uns das bewusst werden muss einen Schritt Abstand zu der Geruchsquelle, die  ihn verströmt. Der Volksmund weiss: „Den kann ich nicht riechen“. Der Geruchssinn ist der Sinn, mit dem sich Mensch und Tier in unserer Umwelt orientieren  Auch Tiere halten Abstand, wenn sie etwas gefahrvolles wittern bzw. finden sich über Sexuallockstoffe (Pheromone) selbst über weite Distanzen zur Paarung zusammen. Selbst im Wasser können Duftstoffe wahrgenommen werden. So produziert die Braunalge Laminaria,auch Zuckertann genannt, Pheromone, die männliche Spermien und weibliche Eizellen auch im weiten Ozean zueinander finden lassen.

Viele Menschen können sich an allerlei Düfte ihrer Kindheit erinnern. Die Wahrnehmung des Duftstoffs ist nämlich mit der Erinnerung gekoppelt. Und was für den einen ein Wohlgeruch ist, kann bei einem anderen tiefe Abscheu hervorrufen. Deshalb empfiehlt es sich grundsätzlich beim Gegenüber Erlaubnis einzuholen, bevor man einen Raum mit Düften anreichert.
Der Mensch kann nicht einen Duftstoff isoliert wahrnehmen, wie es z.B. viele Tiere können, sondern die Gesamtheit der einzelnen Duftinhaltsstoffe ist entscheidend: Kaffeeduft setzt sich z.B. aus bis zu 800 verschiedenen Düften zusammen.
Düfte sind Verbindungen und Riechen ist ein äußerst komplexes Geschehen. Duftmoleküle treffen auf Rezeptorzellen in der Riechschleimhaut, die sich ganz oben in der Nasenhöhle befindet und einen Durchmesser von ca. 2 cm hat. Jeder Duft reagiert mit ca. 347 Geruchsrezeptoren in unserer Nase. Damit die Duftmoleküle wahrgenommen werden müssen sie wasserlöslich sein. Im wässrigen Milieu der Nasenschleimhaut werden sie dann aufbereitet und setzen an Rezeptorzellen an die den Reiz in ein elektrisches Signal umwandeln. Das Gehirn empfängt und verarbeitet das Signal und verbindet es mit Emotionen. Blitzschnell entsteht ein Gefühl von Angst, Freude oder auch Ekel. Menschen, die gegenüber Duftstoffen besonders empfindlich sind bekommen zeitnah körperliche Symptome.

Gerade in der Winterzeit erfreut sich die finnische Sauna großer Beliebtheit. In den dort verabreichten Aufgüssen finden sich vielerlei Düfte wie Orange, Limone, Eukalyptus, Menthol sowie andere Kräutermischungen und breiten sich mittels Verwedeln im Raum aus. Häufig kann der Saunabesucher lesen, welche Düfte zur Verwedelung kommen – damit z.B. Asthmatiker bei Aufgüssen mit Menthol keine Probleme bekommen. Was aber genau die Inhaltsstoffe sind, weiß keiner so genau – da muss man auf die Angaben des Herstellers vertrauen. Birke enthält z.B. Terpene mit einem hohen Allergiepotential. Die biologischen Funktionen von Terpenen sind nur lückenhaft erforscht. Sie werden vielfach biologisch und pharmakologisch eingesetzt. Die Umweltmedizin stuft natürliche Duftstoffe als weniger problematisch ein, als synthetisch hergestellte – jedoch gilt das nicht für die sog. Terpene. Dosis und Wirkung sind schwer handhabbar. Bei einer zu hohen Dosis von Substanzen kann das sog. „Sick-building-Syndrom“ (SBS) ausgelöst werden, die sog. Gebäudebezogene Krankheit, die sich sowohl in Allergien und Infektionen auswirkt, aber auch ein Asthma bronchiale verschlechtern kann. Ursache ist dabei z.B. eine  defekte Klimaanlage die den Abtransport von gesundheitsschädlichen Ausdünstungen (Boden-, Teppichkleber, Dämmmaterialien) nur noch ungenügend gewährleistet. Dazu kommt, dass häufig schlecht gewartete Klimaanlagen Pollen, Pilzsporen und Keime nach ins Gebäudeinnere tragen. Betroffene berichten von Kopfschmerzen, Schleimhautreizungen, Müdigkeit, allergische Reaktionen, Abwehrschwäche und häufigen Infektionserkrankungen. Bei einem bestehenden Asthma bronchiale kann sich der Zustand dadurch erheblich verschlechtern – jedoch reagieren auch Gesunde mit akuten Atemwegsbeschwerden, depressiven Zuständen und verminderter Leistungsfähigkeit. Bei Überschreitung von Schwellenwerten kann es zum Auslöser dieser Beschwerden im Nervensystem kommen.Selbst bei geringen Mengen kann es zu körperlichen Symptomen kommen: etwa beim Gang durch die Parfümabteilung eines Kaufhauses – ohne dass sich im Blutbild Antikörper nachweisen lassen, wie das z.B. bei Allergien normalerweise der Fall ist.
Die Riechrezeptoren kommen mit den Gerüchen nicht mehr klar – und es sind immer mehr Menschen davon betroffen: sind wir doch alle rundum allen möglichen Düften ausgesetzt! Duftlampen, Deos für die Küche und den Mülleimer, Raumsprays, duftende Waschmittel und Weichspüler, Haarspray, Shampoos, Duschgels, die kleinen Weihnachtsbäume mit dem schwer verträglichen Terpen-Duftstoff die in vielen Autos am Rückspiegel hängen. Diese Liste ließe sich beliebig verlängern.
Um uns zu schützen sind schon geringe Mengen von Schimmelsporen für den Menschen riech-, und wahrnehmbar. Wird dieser Duft jedoch von einem anderen synthetischen Duftstoff überlagert wird die Gefahr-Signalisierende-Geruchswahrnehmung unterdrückt bzw. überdeckt. Die Schimmelsporen können ungehindert in den Organismus eintreten und ihre gesundheitsschädigenden Wirkungen entfalten. Die Wahrscheinlichkeit im Leben ein Asthma zu entwickeln steigt. Ebenso die chronischen  Stirnhöhlenvereiterungen sowie allgemeine allergische Reaktionen. Besonders häufig sind Kinder davon betroffen. Das Marketing der modernen Betriebswirtschaft kennt den Zusammenhang zwischen Duft und Emotion und hat keine Hemmungen, ihre Produkte so an den Kunden zu bringen. Mit kleinsten Mengen werden große Wirkungen erzielt und die Bereiche, in denen es duftfrei ist nehmen immer mehr ab.
Man weiß heute, dass 26 Duftstoffe nachweislich Allergien auslösen. Darunter fallen z.B. das Geraniol, das dem Duft der Rose ähnlich ist, sowie Flieder-, Veilchen-, und Maiglöckchenöl. Sie sind mittlerweile reine Kunstprodukte mit teilweisen sehr giftigen Zusatzstoffen und  stehen auf dem Index der EU, müssen also speziell gekennzeichnet werden. Dennoch reagiert in Deutschland mittlerweile jeder Dritte allergisch.
Dabei kann selbst „naturreines ätherisches Öl“ giftig sein. Düfte haben ein niedriges Molekulargewicht und sind leicht flüchtig sind. Dadurch dringen diese Substanzen über die Atemwege tief in den Organismus ein und verteilen sich über die Blutbahn überall im Körper. Es gelingt ihnen sogar, die sog. Blut-Hirn-Schranke außer Kraft zu setzen. Im Normalfall werden im Blut befindliche Schadstoffe, die das Gehirn reizen würden werden, nicht zugelassen und gehen ins Körperblut zurück. Ist diese Funktion aber gestört, können diese Reizstoffe zum einen leichter und zum anderen auch in geringeren Mengen ins Zentrale Nervensystem gelangen und dort die vorhin genannten körperliche Symptome auslösen. Wieder sind es die Kinder, deren Blut-Hirn-Schranke noch nicht voll ausgebildet ist, die davon besonders gefährdet sind. Sie haben noch kein voll funktionsfähiges System, das den Körper entgiftet. Die Wissenschaft ist sich uneins, ob auch Ungeborene davon betroffen sind, jedoch erscheint es als durchaus denkbar: die Duftmoleküle, die in den meisten Fällen plazentagängig sind  werden nämlich mittels der Lungenbläschen transportiert und können so über die Blutbahn auch in die Plazenta gelangen.

Ein besonderes Problem stellen die synthetischen Moschusdüfte dar, der schwer abbaubar ist und sich in der Umwelt anreichert. Über
die Haut (Parfüm), die Nahrungskette und sogar in der Muttermilch gelangt er in den Organismus. Der Moschusduft ist extrem billig zu synthetisieren und dabei dem echten Moschusduft sehr ähnlich. Es sind Nitromoschusdüfte, die extrem fettlöslich und chronisch toxisch sind. Tierexperimenten geben Hinweise, dass sie dazu auch eine Krebserzeugende Wirkung haben. Die Chemieindustrie versuchte aus diesem Grund diesen Duft chemisch zu entschärfen – die Nitrogruppen sind nun nicht mehr vorhanden, jedoch bilden sie ebenso eine Neurotoxizität aus. Werden sie in hoher Konzentration über eine längere Zeit eingeatmet, kann es zu Kopfschmerzen, Konzentrationsstörungen, Müdigkeit und Magen-Darm-Beschwerden kommen. Humarin, Geraniol, Citronelol und Isoeugenol findet man bis heute als Angabe auf der Verpackung, so wie es die EU vorschreibt. Auch polyzyclischen Moschusduftstoffe sind enthalten. Es besteht aber leider keine Deklarierungspflicht für die Zusatzstoffe, mit denen man den Duft stabilisiert. Die Zeitschrift Ökotest verweist auf die Angaben des Österreichischen Bundesamtes wonach in 91% aller Blutproben auch die neuen Moschusverbindungen nachweisbar sind.
Die Zeitschrift Ökotest hat 30 Parfüms getestet, darunter weltbekannt Marken. Nur zwei davon erhielten ein „befriedigend“, die anderen waren als „ausreichend bis ungenügend“ beurteilt worden. Man kann also sagen, dass moderne Parfüms edel verpackte Chemie-Cocktails sind, die viele schädliche Zusatzstoffe enthalten.Für Menschen, die auf diese sog. Phtalate empfindlich reagieren ist das ein tägliches Problem im Kontakt mit anderen Menschen z.B. in Bus und Bahn. Da auch in anderen Produkten Phtalate (Weichmacher) nachweisbar sind, addieren sich diese Schadstoffe im Menschen. Dazu kommt ihre hormonelle Wirkung, die Leber und Niere schädigen können.
An vielen Orten, von denen wir gar nicht davon ausgehen, werden kaum wahrnehmbare Duftstoffe über Klimaanlagen in Räume versprüht: Kaufhäuser und Supermärkte und sogar Altenbegegnungsstätten sowie manche Arztpraxen sind darunter. Empirische Studien zeigen, dass bekannte und angenehme Düfte positive Gefühle erzeugen. So kann man bei Baumgarth lesen, dass Konsumenten „eine Marke in positiver Stimmung besser als in neutralem oder negativen Zustand“ beurteilen … deshalb kann ein angenehmer Duft über die positive emotionale Befindlichkeit auch auf die Markeneinstellung wirken (Baumgarth, Impulse für die Marktforschung und Markenführung, 2008, S. 47).
Es hat sich mittlerweile herumgesprochen, dass man Kleidung unbedingt 1 – 2 Mal waschen muss, bevor man sie auf der Haut trägt. Auch beim Gebrauch von Haarspray ist  Vorsicht anzuraten: In einer Studie der Yale University School of Medicine wurde deutlich, dass Parfums in Haarsprays in der Lage sind, die Lungenfunktion auch beim Gesunden deutlich zu beeinträchtigen. Was die weihnachtlichen Duftfreuden betrifft, die uns ein wohliges Gefühl vermitteln  – sollte man also genau prüfen, was man gegebenenfalls sich und seinen Lieben damit antut: denn Augen kann man zumachen, Ohren kann man sich zuhalten, aber ein Duft findet immer in uns hinein – ob wir es wollen oder nicht.
Die meisten Intoleranzen sind nicht genetisch bedingt, sondern werden im Laufe des Lebens erworben. Die Exposition gegenüber Lösemitteln, Bioziden, Abgasen und ähnlich organischen Stoffen wird wohl zu noch mehr Unverträglichkeiten und Empfindlichkeiten führen. Die Rezeptorzellen in der Riechschleimhaut wird durch erste Kontakte sensibilisiert und nimmt danach alle weiteren Reize ungebremst auf. Jemand, der sich bei einem bestimmten Duft angewidert abwendet weiß möglicherweise nicht, dass auch er sich auf einem gefährlichen Weg befindet. Duftstoffe können auch in Folge zu Unverträglichkeiten gegenüber best. Lebensmitteln, Kunststoffen und schließlich bei Blumenwiesen und Birkenpollen führen. Es ist sehr schwer diese Toleranzgrenzen im Nachhinein wieder zu erhöhen.

Quellen:

Radio Thueringen mdr 1 am 24.11.2010
Radio Bayern 2, am 18.12.2008: Sendung : IQ Wissenschaft und Forschung

Wenn Sie sich weiter informieren möchten:
http://www.la-umwelt.de/fuersiegefunden/pdf/Giftigeduefte.pdf

Der Bund für Naturschutz und Umwelt warnt vor gesundheitsschädlichen Parfüms

http://www.tagesspiegel.de/berlin/gefaehrlicher-duft/985488.html
über die Gefahren des Shisha Rauchens

http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-9204288.html
Der Spiegel am 25.07.1995 über künstlichen Moschus in Duschgels und Schampoos.

 

 

 

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