Zimmermann Werner: Kräfte des Atems

Atem ist Geist, ist Leben

Mit dem ersten Schrei und Atemzug beginnt das neugeborene Menschlein sein Eigenleben. Geisteskraft bewegt und baut den Leib. Ihr gehört der Atem zu. Atem ist Geist, ist Leben, ist Prana (Indien), Lebenskraft.
Das wussten und nutzten die Weisen und Führer vieler alter Völker. Auch ihre Sprachen kannten nur ein Wort, das Atem und Geist und oft auch Gott in einem bedeutete:

germanisch: Odin (Wotan – Wode – Odin – Odem)
aramäisch:   Ruach (Atem – Geist – Seele – Gott)#
griechisch:   Pneuma
lateinisch:    Spiritus

Das erste Buch Moses berichtet in Kapitel 2, Vers 7:
„Gott der Herr bildete den Menschen aus Staub und Erde und hauchte den Odem des Lebens in seine Nase; also ward der Mensch eine lebendige Seele.“
Der Atem macht uns zur lebendigen Seele, er bringt und entwickelt die Kräfte des Geistes. Die Luft ist dem Feinstofflichen, dem Ätherischen, dem Geistigen näher als die Erdkrume mit Stein und Metall und aller derben Ernährung. Brust und Atem stehen über dem Bauche. Sie geben dem Menschen seine Haltung und tragen auch seinen Kopf. Dünne, klare Höhenluft ist Zeichen des Geistes.
Ruhe und Reife des Menschen zeigen sich in der Art seines Atems. Er kann kurz und hastig, gierig oder gedankenlos eilen, gar noch durch den offenen Mund, oder in langen Wellen strömen, vergleichbar der Kraft im Wogen des offenen Meeres. Der Geist formt den leib und den Atem.
Doch hier, wie überall, gibt es Wechselwirkungen. Wer aus bewusster Einsicht seinen eigenen oder anderer Menschen Atem wandelt, ausweitet, vertieft, der regt die Entfaltung des Geistes an, der steigert Leben und Gesundheit. In der Ruhe kraftvollen Atems sitzen die Pharaone und Priester einer großen versunkenen Zeit heute noch in Stein gemeißelt, und Religion, Rückverbindung mit der ewigen, allgegenwärtigen Schöpferkraft wurde zum guten Teil über den Atem gesucht und gefunden. Litanei und Kirchenlied, mächtig strömend und lang ausklingend, wirken heute noch als umfassende Ausatemübungen und haben gesundheitlich gute Wirkungen, wenn auch nur wenige Sänger und Priester davon wissen mögen.
Das Tier atmet unbewusst. Der Mensch dagegen, als geistiges Wesen, kann durch Erkenntnis und Willen seinen Atem veredeln und durch Übung kräftigen. Das kostet kein Geld und erfordert keine abgestempelte höhere Bildung. Es ist ein Tor zu höherem Leben für jeden, der guten Willens ist. Der wissende, wollende Mensch ist frei.

Atem reinigt und belebt

Die übliche wissenschaftliche Auffassung werten den Atem nur von seinen körperlichen Wirkungen her. Für diese kann am ehesten das Verständnis geweckt werden. Sie seien daher kurz angedeutet.
Der Atem führt uns Sauerstoff zu und entfernt Kohlensäure und andere Abfallstoffe. Dieser Austausch findet zum größten Teil in der Lunge statt. (Auch die gesunde Haut atmet.) Die roten Blutkörperchen beladne sich in der Lunge mit Sauerstoff und tragen ihn zu allen Organen und Geweben. Die Zellen nehmen in auf, er verbindet sich mit den Brennstoffen der Ernährung und erzeugt dadurch Kräfte verschiedener Art wie Wärme, Elektrizität, Leistungen der Muskeln, des Gehirns, der Nerven und Drüsen. Diese Verbrennung (Oxidation) hinterlässt Abfälle an Rauch (gasförmige Kohlensäure) und Asche (flüssige und feste Schlacken), die nun durch das Blut von jeder einzelnen Zelle zu den Ausscheidungsorganen getragen werden und dort, durch Lunge, Haut, Blase, Darm, den Körper verlassen.
In der Schrift „Lebe gesund“ findet sich ausgeführt, wie der Köper im besonderen durch mangelhafte Abfuhr seiner Schlacken erkrankt, frühzeitig altert und stirbt. Dr. Carrel vom Rockefeller-Institut hat einen Teil eines ausgeschnittenen Hühnerherzens durch Jahrzehnte bei voller Lebendigkeit der Zellen erhalten, weil alle Abfallstoffe täglich entfernt und die Nährlösung erneuert und reingehalten werden. Große Leistung und hohes rüstiges Alter sind, vom Leib aus gesehen, bedingt durch stet ungehinderte Ausstoßung aller unbrauchbaren Rückstände.
Für den Körper ist die Kohlensäure (H2O – CO2) das gefährlichste Gift. In besonderen Mengen erzeugt wird sie durch Verbrennung särkemehlhaltiger Nährstoffe (Kohlehydrate), auch bei reichlicher Zufuhr von Fett und Eiweiß. Die roten Blutkörperchen, die ihren Sauerstoff abgegeben haben, nehmen sie auf und tragen sie in die Lunge. Das sauerstoffreiche Blut der Schlagadern (Arterien), das au Lunge und Herz zu den Geweben strömt, ist hell-rot, das Blut der Venen ist dunkler gefärbt durch die mitgeführte Kohlensäure. In der Lunge soll  es sich von diesem Giftgas gründlich reinigen können, und möglich ist das nur bei richtiger Ausatmung. Atemnot kommt nie von Mangel an Sauerstoff (Einatmung), sondern stets von Überschuss an Kohlensäure (schlechte Ausatmung). Eingeatmete Luft enthält neben Stickstoff 20,81 Prozent Sauerstoff und O,04 Prozent Kohlensäure, ausgeatmete Luft immer noch 16,03 Prozent Sauerstoff und 4,38 Prozent Kohlensäure. (Nach Surén)
Was geschieht nun bei mangelhafter Ausatmung? Können die roten Blutkörperchen ihre Ladung an Kohlensäure nicht ganz abgeben, so bleibt um so weniger Raum, Sauerstoff zu laden. Damit wird dieser wichtige Lebensstoff in allen Geweben und Organen des Körpers knapper. Zugleich entartet das Blut durch den steten Überschuss an Kohlensäure. Die roten Blutkörperchen schrumpfen ein, verkleben sich zu Stäbchen und verstopfen die feinen Haargefäße aller durchbluteten Organe, wie Herz, Lunge, Leber, Nieren, Milz, Drüsen, Gehirn, Muskeln usw. Durch die Stauung wächst der Blutdruck und erlahmt der ganze Kreislauf. Ohne genügende Sauerstoffzufuhr und Schlackenabfuhr aber muss jedes Organ des ganzen Körpers nach und nach seine frohe Leistungsfähigkeit verlieren und erkranken, wenn auch die geschwächten Teile zuerst versagen werden.
Auch das Seelen- und Geistesleben wird von solchen Mängeln stark belastet. Nerven, Gehirn und Drüsen sind besonders empfindliche Organe, die verhältnismäßig viel mehr Sauerstoff brauchen als die Muskeln und die durch Verschlackung eher in ihrer feinen Arbeit gestört werden. Seelischer Druck, Missmut, Verzagtheit, sie können vom Atem her angefasst und ausgetrieben werden, und wer richtig „aufatmet“, der hat sie auch schon zu gutem Teil überwunden.
Es lässt sich nun leicht verstehen, dass gründliche Ausatmung und Atempflege bei allen Störungen und Erkrankungen heilsam wirken kann. Das Blut wird reiner, flüssiger, reicher an Sauerstoff und reinigt, stärkt und belebt nun auch alle umspülten Zellen besser. Auch Lunge, Haut, Blase, Darm vermögen ihre Aufgaben wieder besser zu erfüllen und die guten Auswirkungen erfassen den ganzen Menschen, in all seinen Teilen. Der Atem ist ein Schlüssel zur Gesundung und Ertüchtigung.

Auszug aus dem Werk „Kräfte des Atems“ von Werner Zimmermann
Mit freundlicher Genehmigung des Drei Eichen Verlages, Hammelburg.

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