Atemtherapie bei Herzerkrankungen

Im Lancet, einer der besten medizinischen Fachzeitschriften weltweit (Vol 351, May 2, 1998, S. 1308 – 1311) wurde eine Studie veröffentlicht, die sich mit der Atmung von Herzkranken beschäftigt.

Dabei standen zwei Fragen im Mittelpunkt der Erforschung:
1. Was für eine Atmung haben Menschen, die unter Herzschwäche leiden?
2. Können Herzkranke ihre Atmung trainieren um zu einer besseren Sauerstoffversorgung zu kommen?

Es wurden 50 Patienten mit chronischer Herzschwäche untersucht. Alle Patienten waren Nichtraucher, nicht lungenkrank, in einer stabilen Situation und erhielten Standartmedikamente für ihre Herzerkrankung. Zur Kontrolle wurden 11 Gesunde untersucht. Bei allen wurde gleichzeitig ein EKG, Lungenvolumen, Blutdruck und Sauerstoffsättigung des Blutes gemessen. Es wurde festgestellt, das alle Herzkranken unregelmäßig atmeten. Um gegen das Gefühl von Atemnot anzugehen, veränderten sie unbewusst ihren Atemrhythmus: sie atmeten schneller und variierten öfter

die Zahl und Tiefe ihrer Atemzüge. Dennoch bekommen sie dadurch nicht mehr Luft. Im Gegenteil: durch das „falsche“ Atmen wird der Sauerstoffengengpass im Körper noch verschärft. Auch bei Patienten mit koronarer Herzkrankheit konnte eine solche unökonomische Atmung festgestellt werden.
Diese kommt im übrigen auch bei Gesunden vor. Hier jedoch ist die Sauerstoffsättigung normal, weil ein Gesunder nicht sein ganzes Lungenvolumen aussschöpfen muss, um ausreichend mit Sauerstoff versorgt zu sein. Beim Gesunden reichen dafür 50 – 70% aus. Je schlechter aber die Lunge durchblutet ist, desto wichtiger ist es, das das Blut, das von der Lunge weitergeleitet wird mit genügend Sauerstoff versorgt ist. Wenn dies nicht der Fall ist, die Muskulatur nur ungenügend Sauerstoff erhält, sinkt die Leistungsfähigkeit noch mehr ab, eine noch größere Müdigkeit stellt sich ein.

Wie aber kann ein Herzkranker lernen, so zu atmen, dass seine Sauerstoffversorgung verbessert wird?
Die spontane Atmung liegt meist bei 15 Atemzügen pro Minute. Als günstig hat sich aber eine Atemfrequenz von sechs Atemzügen pro Minute herausgestellt: 10 Sekunden für einmal einatmen und einmal ausatmen. Dabei sollte der Ausatmen ca. doppelt so lang sein wie das Einatmen. Wenn Herzkranke bewusst langsamer atmen, erhöht sich zunächst die Angst, nicht genügend Luft zu bekommen. Diese Angst muss erst einmal überwunden werden, indem man erst einmal mit einem bestimmten Atemtraining lernt regelmäßiger zu atmen. Kann die Regelmäßigkeit der Atemfrequenz eingehalten werden, ist der zweite Schritt, diese zu verlangsamen einfacher.

In der Studie wurden neun Patienten zwei Monate lang unter Anleitung täglich trainiert um zu einer langsameren Atemfrequenz zu kommen und diese zwei bis drei Minuten lang durchzuhalten. Dann atmeten die Patienten wieder unkontrolliert fünf Minuten um dann wieder zur langsameren Atemfrequenz zurückzukehren. Ziel des Atemtrainings war, langsamer und bewusster zu atmen. Die Patienten wurden vor und nach dem Training und dann noch einmal einen Monat später z.B. auf die Sauerstoffsättigung ihres Blutes und ihre Leistungsfähigkeit untersucht.

Die größte Schwierigkeit war dabei, Patienten zu rekrutieren, die bereit waren wirklich zwei Monate lang mitzumachen. Die Meinung, dass etwas, das nichts kostet wie das Atmen, auch nicht viel wert sein könne war weit verbreitet. Viele Patienten hätten lieber neue Medikamente gehabt, anstatt selbst aktiv zu sein. Erstaunlich aber war, dass die Patienten, die das langsamere Atmen gelernt haben, dieses auch nach dem Training beibehalten wollten, weil sie nicht nur weniger unter Luftnot litten, sondern sich auch insgesamt wohler fühlten.
Als günstig hat sich das Erlernen in einer Atemgruppe herausgestellt. Dabei genügt eine Stunde über vier bis sechs Wochen wenn der Patient motiviert ist, täglich zu üben.

Die Untersuchung hat gezeigt, dass bei einer veränderten Atemtechnik die Sauerstoffsättigung des Blutes steigt. Die Patienten leiden weniger unter Luftnot, können sich länger belasten und fühlen sich subjektiv besser. Je mehr ein Patient unter Herzschwäche leidet, desto deutlicher ist die Wirkung des Atemtrainings. Aufgrund der Untersuchungsergebnisse ist denkbar, dass das Atemtraining auch hilfreich ist für Patienten mit koronarer Herzerkrankung.

Der Artikel im Lancet wurde 1998 veröffentlicht, also vor gut 10 Jahren. Im Vordergrund der Medizin stehen nach wie vor Medikamente und technische Verfahren. Für eine so einfache Methode wie das Atmen, das noch zusätzlich eingesetzt werden könnte, interessieren sich leider nur wenige Ärzte und auch Patienten.

Ein Interview von Renate Horst mit Priv. Doz. Dr. med. Axel Frey, einem der Mitwirkenden dieser Studie, ist nachzulesen unter www.herzstiftung.de

 

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