Ich bin viele – und das ist gut so!

Der Ansatz der Narrative Beratung und Therapie von Roswitha Carl

Eine der Wurzeln meiner Arbeit mit den Menschen, die zu mir kommen ist die Narrative Therapie und Beratung.
Im deutschsprachigen Raum noch wenig bekannt, wird sie in allen englischsprachigen, aber auch den skandinavischen Ländern viel praktiziert. Ihre Ursprünge gehen auf Michael White und David Epston zurück, die aus der systemischen Schule kommen. Ich will versuchen, hier eine kleine Einführung in die Narrative Therapie zu geben.

In vielen Philosophie- und Therapierichtungen geht es ja darum, das wahre  Innere zu entdecken. Das Kernselbst, wer ich eigentlich bin, das wahre Ich…. Damit verbunden sind meist Vorstellungen darüber was reif, kompetent, weise – vielleicht sogar erleuchtet ist und Erwartungen darüber, welches Glück in unser Leben eintritt,

wenn wir dort angekommen sind.
Damit verbunden sind aber auch Wertungen, was wertvoll ist, was einen glücklichen Menschen ausmacht, wie ein reifer Mensch sein soll. Und meist ist es ein steiniger Weg, der uns dort hin führen soll.

Der narrative Ansatz geht von einem anderen Bild aus:
Jeder von uns hat verschiedene Identitäten. Unsere Identität besteht aus vielen Anteilen Sie ist ein Prozess – und verändert sich immer wieder. Das heißt ,wir haben die Möglichkeit die Identitätsanteile in uns, die wenig Raum haben, wachsen zu lassen, aufzupäppeln, wenn wir entdecken, dass sie uns in einer bestimmten Lebenssituation hilfreich sein können.
Diese Anteile, man könnte auch sagen diese Seiten von uns, leben durch die Geschichten, die wir und andere über uns erzählen. Diese  Geschichten formen so, was wir als unser „Ich“ empfinden.
Jeder kennt das: Sagten nicht schon Mutter, Vater oder andere über uns: Du warst die  Widerspenstige , oder der,der sich immer durchsetzen musste oder ähnliches. Oft befreien wir uns mühsam von solchen eher einschränkenden Verschreibungen. Wir haben aber auch Geschichten in uns, die stärken.

Und hier setzt die narrative Beratung und Therapie an:
Mit folgenden und ähnlichen Fragen versuchen  wir die Verbindung zu diesen Ressourcen wieder her zu stellen
Wie kann ich meine Lebensgeschichte so erleben, dass sie mich stärkt und nicht schwächt ?
Wie kann ich problematische Aspekte  so betrachten, dass ich merke, dass ich nicht das Problem bin – sondern dass es ein Problem gibt, mit dem ich umgehen kann ? Wie kann ich mich mit den mich stärkenden Geschichte so verbinden, dass ich spüre welche positiven Handlungsmöglichkeiten ich habe ? Wo, wann und mit wem lebe ich das schon ?
Wer in meinem Leben kann mich dabei unterstützen ? Etc.

Ein Schlüssel dabei ist die Haltung, das Weltbild, das hinter dem narrativen Ansatz steht.
Sie wird in folgenden Kernannahmen deutlich
• der Klient ist der Experte in seinem Leben
• der Therapeut kennt nur die Fragen, nicht die Antworten
• der Klient  ist nicht das Problem – das Problem ist das Problem
• jeder hat viele Fähigkeiten, Kompetenzen, Ressourcen und Möglichkeiten, die ihm helfen, den Einfluss des Problems zu verringern. Manchmal ist der Kontakt zu ihnen schwach geworden – dennoch ist all das da und kann wieder belebt werden.

Ziel der narrativen Arbeit ist es, die Geschichten in und über uns heraus zu holen, die uns dabei unterstützen Probleme zu lösen. Durch die neuen Geschichten können die Menschen neue Möglichkeiten in ihrem Leben und ihren Beziehungen verwirklichen. Sie erleben sich und ihr Leben wieder als aktiv steuerbar.

Und für mich als Begleiterin und „Pfadfinderin“ ist es eine unendlich spannende und bereichernde Aufgabe! 

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